Die Geschichte des Fördervereins für Öffentlichkeitsarbeit im Natur- und Umweltschutz FÖN e.V. und seiner Ökofilmtour
Von Hartmut Sommerschuh, 6. November 2024
Vorbemerkung
Die friedlich auf der Straße errungene Umbrüche der Wendezeit 1989 waren auch von Umweltthemen getragen. Zu den kostbarsten Früchten, die alle „Abwicklungen“ und „vereinigungsbedingten“ Schicksale überstanden, gehören das ostdeutsche Nationalprogramm, die GRÜNE LIGA und der Verein FÖN e.V. Seine Geschichte und sein Festival ÖKOFILMTOUR sind einmalig. Und undenkbar ohne den jahrzehntelangen Enthusiasmus der Mitglieder und die Solidarität vieler Unterstützer.
Die im DDR-Fernsehen erstrittene Sendereihe OZON
Es war ein Zufall mit Doppelwirkung. Ausgerechnet am 9. November 1989, an dem abends die Mauer aufging, erschien morgens in der DDR-Tageszeitung BAUERNECHO unser Artikel gegen den eigenen „Arbeitgeber“, das DDR-Fernsehen. Berliner Agrarwissenschaftler hatten geholfen, ihn zu lancieren.
Darin wurde die Fernsehleitung aufgefordert, die Sendung „Kreisläufe“ sofort wieder ins Programm aufzunehmen und zu einem Umweltmagazin zu entwickeln. Wegen ihrer kritischen Ökologie-Beiträge, zuletzt über Rauchgasschäden im Erzgebirge, war die seit 1983 existierende Landwirtschaftsreihe zwei Monate zuvor noch verboten worden. Unser Protest und der Mauerfall zwangen die Verantwortlichen murrend zum Einschwenken. Schon drei Wochen später konnten wir unter dem doppelsinnigen Motto „Luft zum Atmen“ die erste Sendung ausstrahlen. Es ging um Smog in den Städten und um das erste DDR-weite Treffen von Umweltgruppen im Babelsberger Fußballstadion.
Kameramann Werner Peter, später langjähriger Vorsitzender von FÖN e.V., machte den Vorschlag, die Reihe „OZON“ zu nennen. Das „Ozonloch“ in der Atmosphäre beschäftigte gerade die Wissenschaftler.
In einer zwischen Filmbeiträgen eingebauten Studiorunde saßen Matthias Platzeck von der Potsdamer Umweltgruppe ARGUS, der Brodowiner Schriftsteller Reimar Gilsenbach, Dr. Rolf Caspar von der Gesellschaft für Natur und Umwelt im Kulturbund der DDR, ein Arzt aus Dresden und eine Vertreterin der evangelischen Kirche in Erfurt. Nach der Ausstrahlung verlangten Zuschauer in vielen Briefen weitere Sendungen. OZON erschien nun alle 14 Tage um 21 Uhr mit großem Erfolg. Naturschützer, Schriftsteller, Wissenschaftler wie Michael Succow, die bis heute der ÖKOFILMTOUR treu sind, unterstützten uns schon damals.
Vom Mauerfall 1989 über die Volkskammerwahlen am 18. März 1990, die Währungsreform am 1. Juli 1990 bis zur deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 wandelten sich Rundfunk und Fernsehen der DDR gewaltig. Für einen kleinen Moment gab es staatsfernen, faktenorientierten, kritischen Journalismus. Einen, der die Wendebrüche offen und ehrlich begleitete.
Das enorme Echo auch auf OZON ermutigte uns, weiterzumachen. Wir konnten schließlich Hellmuth Henneberg als Moderator gewinnen. Er löste nach fünf Sendungen den Rundfunkjournalisten Dr. Harro Hess ab, der bei Radio DDR neue Aufgaben in Frankfurt übernahm.
Das Freiburger Festival ÖKOMEDIA
Als frischgebackener Redaktionsleiter beantragte ich kühn erste „Dienstreisen“. Ernst-Alfred Müller, später Gründer der Ökofilmtour, erhielt bei Dreharbeiten für OZON auf dem tschechischen EKO-Film-Festival in Ostrava eine Einladung nach Freiburg im Breisgau. Zum großen internationalen Umweltfilmfestival „ÖKOMEDIA – Tage des ökologischen Films“. Die schöne Stadt am Schwarzwald, im Dreiländereck Schweiz, Frankreich, Deutschland, war seit Jahren Hochburg ökologischer Projekte und mutiger Proteste. Gegen Hausräumungen, Militärübungen, Bleiverseuchung, bald auch gegen den Golfkrieg. Das ÖKOMEDIA-Festival und gleichnamige Institut für Medienarbeit e.V. waren aus der Anti-Atombewegung hervor gegangen. Gegen das geplante Kernkraftwerk Whyl dreißig Minuten entfernt am Kaiserstuhl.
Schließlich fuhren wir, die gesamte OZON-Mannschaft, im November 1990 mit dem Zug nach Freiburg. Darunter waren Uta Greschner, Heiderose Häsler und unser Kameramann Werner Peter. Alle sind noch heute unter dem Vorsitz von Iduna Wünschmann im Vorstand von FÖN e.V. Aus 23 Ländern waren über 60 Filme im Programm. Sie und die vielen Begegnungen wurden für uns entscheidende Erlebnisse.
Heidi Knott und Horst Hamm, die Verantwortlichen des Festivals, empfingen uns Ostdeutsche überraschend herzlich und neugierig. Ohne die übliche westdeutsche Besserwisserei. Was wir aus ihrem Leben erfuhren, war überaus ermutigend für unsere journalistische Arbeit so kurz nach der Wende.
Mut und Haltung
Heidi war in Los Angeles geboren, wegen der Arbeitsstelle des Vaters bei einer Ölbohrfirma in Saudi-Arabien aufgewachsen, bei den Großeltern in London zur Schule gegangen, dann in die USA zurückgekehrt. Zum Studium in North Carolina. So prägten sie 1969 in Washington die großen Proteste gegen den Vietnamkrieg. Dann verliebte sie sich in den deutschen Filmemacher Willi Gladitz, der unter dem Namen Peter Krieg in West-Berlin lebte.
Er und seine Schwester Nina Gladitz hatten von Kirchzarten im Schwarzwald aus die Gründung des internationalen ÖKOMEDIA-Festivals entscheidend unterstützt. Schon 1976 hatte Nina mit „Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv“ einen Film über den Kampf gegen das Kernkraftwerk Whyl gemacht. 1982 gelang ihr mit Zeit des Schweigens und der Dunkelheit ein erschütterndes Dokument, in dem sie nachwies, dass Hitlers Lieblingsfilmerin Leni Riefenstahl Sinti und Roma aus den Lagern Maxglan und Berlin-Marzahn als Statisten für ihren Film Tiefland geholt hatte, die anschließend gegen ihr Versprechen in Auschwitz ermordet wurden. Der Film verschwand 40 Jahre im Giftschrank des WDR. Sie kämpfte in Prozessen, verlor ihr Vermögen, drehte weitere Filme über die ungerechte Behandlung von Menschen, starb 2022 in völliger Armut.
Heidi Knott war zu Peter Krieg nach Berlin gezogen, studierte an der Film- und Fernsehakademie und drehte ab 1980 mit ihm preisgekrönte, entlarvende Dokumentationen wie „Septemberweizen“. Ein anderer ihrer Filme führte zu einem berühmten Boykott von Produkten bei „Nestlé“. Denn sie hatten Bemühungen des weltgrößten Lebensmittelkonzerns aufgedeckt, arme Frauen aus der Dritten Welt zu überreden, das Stillen aufzugeben. Zugunsten seines oft mit schmutzigem Wasser angerührten Milchpulvers.
Der Mut, der aus diesen Biografien sprach, die politische Wirkung, die Filme haben können, die menschliche Wärme von Heidi, alles beflügelte uns. Heidi Knott und Horst Hamm wiederum waren als Festivalchefs beeindruckt von unserer aus dem DDR-Fernsehen gewachsenen kritischen Redaktion OZON. Später überreichte uns auf dem ÖKOMEDDIA-Festival 1992 der damalige Vorsitzende Hubert Weinzierl für unser Engagement den Journalistenpreis des BUND.
Nachdem Heidi Knott und Horst Hamm neben ihrer Festivalarbeit selbst einen Film gedreht hatten über Proteste gegen die B 31, eine Fernverkehrsstraße, die mitten durch Freiburg geplant war, boten wir ihnen dafür einen Sendeplatz in OZON an. Und luden sie im Februar 1991 in unsere Redaktion nach Berlin-Adlershof ein.
Abwicklung statt Aufbruch
Da hatte unsere Stimmung schon jähe Wendungen hinter sich. Die anfängliche Euphorie tausender Zuschauer über unsere kritische aber auch mit Ratschlägen helfende Umwelt-Sendreihe war in Zukunftsangst umgeschlagen. Hunderten Industriebetrieben drohte die Abwicklung durch die Treuhand. Zehntausend Waldarbeiter waren allein in Brandenburg entlassen. Viele Menschen bangten um Arbeit und Existenz. Nach einer OZON- Sondersendung über „Berufe im Umweltschutz“ mit Anrufmöglichkeit klingelten unsere Telefone bis zum nächsten Morgen, kamen hunderte verzweifelter Briefe.
Dabei ging es uns Journalisten nicht besser. War doch im Artikel 36 des Einigungsvertrages festgelegt worden, dass Rundfunk und Fernsehen der DDR, die sogenannte „Einrichtung“, zum 31.12.1991 aufgelöst und in einzelne kleine Länderanstalten überführt wird. Hoffnungen der „Runden Tische“ auf einen neuen gemeinsamen Sender aller ostdeutschen Länder waren politisch gescheitert.
Helmut Kohls Abwickler vom Bayrischen Rundfunk, Rudolf Mühlfenzl (1919–2000), „Rundfunkbeauftragter für die neuen Bundesländer“, kehrte im Laufe des Jahres 1991 die Redaktionsstuben in mehreren Entlassungswellen mit eisernem Besen. Betroffen waren über 8.000 Journalisten, Kameraleute, Techniker, Bühnenarbeiter und Kraftfahrer aus den beiden Vollprogrammen des DDR-Fernsehens und 5.000 Kollegen vom Rundfunk. Viele der Beschäftigten verloren ihren Beruf, ihr Einkommen und häufig den Sinn ihres Lebens, sahen sich ungerecht behandelt, klagten gegen die Kündigung, für mehr Abfindung. Künstlerinnen und Künstler kämpften um ihre Urheberrechte. Aber auch Themen und Inhalte erloschen.
Wo sollten in Zukunft die Helden unserer Sendereihe OZON noch eine regelmäßige Tribüne haben? Die Umweltschützer der DDR, die neu gegründeten Organisationen Naturschutzbund (NABU), die Grüne Liga, die sechzigtausend Spezialisten in der Gesellschaft für Natur und Umwelt des Kulturbundes? Vor der Wiedervereinigung hatten die engagiertesten Naturschützer um Michael Succow noch ein in Europa einmaliges Nationalparkprogramm für die schönsten Landschaften entworfen. Auch den kirchliche Umweltgruppen, kritischen Bürgerrechtlern und Künstlern, die in der DDR verfolgt wurden, war unsere Sendung wichtig geworden. Konnten sie doch endlich frei reden. Wie der Schriftsteller Reimar Gilsenbach, der seit 1982 in seinem Garten am Rand der Schorfheide, belauscht von der Stasi, die „Brodowiner Gespräche“ organisierte. Und nun?
Wir konnten nicht ahnen, dass es Michael Albrecht, DEFA-Kameramann und über die Runden Tische zum ersten Fernsehdirektor des ORB berufen, bei Verhandlungen mit Mühlfenzl später gelingt, das SANDMÄNNCHEN und OZON zu retten.
FÖN e.V. als rettender Strohhalm
Als Heidi Knott und Host Hamm mit ihrem B31-Film nach Berlin kamen, ließen wir uns zunächst nichts anmerken, erwiderten ihre Herzlichkeit, organisierten einen Schnittplatz. Denn sie hatten bis zur Ausstrahlung in OZON noch einige Änderungen zu machen. Natürlich blieb ihnen unsere Stimmung nicht verborgen. In einer Kaffeepause vom Filmschnitt erzählte ich Heidi von unseren Sorgen. Sie fragte, überlegte, erinnerte sich an ähnlich verzweifelte Situationen bei ihrer Filmarbeit mit Peter Krieg Anfang der 80er Jahre.
Dann fragte sie plötzlich: „Warum gründet Ihr nicht miteinander einen Verein? Einen gemeinnützigen? Davon haben wir in Freiburg reichlich.“ Ich stutzte, das Wort „Verein“ war uns in der DDR fremd geworden. Gab es doch seit der Ablösung des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) durch das Zivilgesetzbuch der DDR 1976 außer im Sport offiziell keine Vereine mehr. Nur „Arbeitsgemeinschaften“ im Kulturbund und in den Großbetrieben.
Heidis Vorschlag war Gold wert. Im Mai 1991 gründeten wir den „Förderverein für Öffentlichkeitsarbeit im Natur- und Umweltschutz (FÖN e.V.)“ und ließen ihn ins Vereinsregister eintragen. Unter den ersten Mitgliedern waren Uta Greschner, Heiderose Häsler, Elke Weinert, Werner Peter, Ernst-Alfred Müller, Hellmuth Henneberg, Hartmut Sommerschuh.
Literatur, Bildende Kunst, Filme
Dank großzügiger Förderung durch den WWF, die Heinrich Böll Stiftung vor allem durch das Brandenburger Umweltministerium unter Matthias Platzeck entstanden schon bald eine Medienwerkstatt für eigene Filme und der Arbeitskreis LITERATUR UM WELT für Schriftsteller aus Ost und West. Bis heute setzt er in jährlichen Treffen die Tradition der „Brodowiner Gespräche“ von Reimar Gilsenbach fort. Aus seinem Kreis wurde Jutta Schölzel die langjährige Leiterin der Potsdamer Geschäftsstelle von FÖN e.V.
Filme aus der FÖN Medienwerkstatt von Uta Greschner
Auch ein Jugendkunstzirkel „Grafik, Malerei, Umweltpflege“ des Berliner Kunstpädagogen Gilbert Waligora war in den ersten Jahren Mitglied, konnte in Ferienlagern Landschaften erforschen und große Grafik- und Aquarellausstellungen machen. Dann aber entstand aus unserer innigen Verbindung zur ÖKOMEDIA die wohl nachhaltigste Idee: Seit 1990 hatten die Freiburger eine Auswahl ihrer Filme in Erfurt, Rostock und im Potsdamer Filmmuseum zeigen lassen. Ab 1994 organisierte FÖN e.V. auch in Cottbus, Lenzen an der Elbe, Eberswalde, Buckow/Märkische Schweiz, Angermünde und Templin zusammen mit dem NABU und dem Umweltverein ARGUS Potsdam eine jährliche Nachspieltournee. Unterstützung kam u.a. vom WWF und der Heinrich Böll Stiftung. In neun Jahren erreichte sie tausende Erwachsene und Schüler.
Die Geburt der Ökofilmtour
Durch die unbedachte Fördermittelstreichung der Stadt Freiburg, die eine Kette bis zum Bundesumweltministerium zum Einsturz brachte, musste das Freiburger ÖKOMEDIA-Festival Anfang 2005 in Insolvenz gehen. Ein Unglück, das auch die internationale Medienarbeit des Instituts traf. Wir suchten mit nach Lösungen. Ließe sich aus der Nachspieltournee ein neues Festival entwickeln?
Auf Initiative von Ernst-Alfred Müller begründete FÖN e.V. 2006 nach Rücksprache mit dem damaligen Brandenburger Umweltminister Dietmar Woidke die Ökofilmtour. Für die Geschäftsstelle unter Leitung von Jutta Schölzel war das organisatorisch eine völlig neue Herausforderung. Stieg doch die Zahl der Spielorte sofort sprunghaft.
Sehr schnell dabei waren die Fachhochschule Eberswalde – heute Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde –, Viadrina Frankfurt/Oder, Multikulturelles Zentrum Templin, Kulturhaus Kino Brüssow, Kulturbahnhof Biesenthal, Regionalwerkstatt Stechlin, NaturParkHaus Stechlin in Menz, Umweltbahnhof Dannenwalde, Ökospeicher Wulkow/Lebus, Wettermuseum Lindenberg, Theater am Rand/Oderaue, Kulturgießerei Schöneiche, Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF, Angerscheune Petershagen, Obenkino Cottbus, Burg Beeskow, Filmmuseum und Hans Otto Theater Potsdam.
Heute ist die Ökofilmtour mit über 70 Orten und einer Laufzeit über vier Monate das „längste Umweltfilm-Festival Deutschlands“. Alljährlich startet es im Potsdamer Filmmuseum und endet mit einer festlichen Preisverleihung im Potsdamer Hans Otto Theater, vergibt hochdotierte Preise und ist ein Magnet für engagierte Filmemacher nicht nur aus Deutschland geworden.
Filme mit Lösungen und für Jugendliche
Als einziges Festival orientierte sich die Ökofilmtour früh an den Zielen der 2002 gestarteten UN-Weltdekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“. Bis heute steht ganz oben in der Philosophie der Ökofilmtour die Bildungsarbeit. Mit seinem Jugendprojekt „JugendVision“ gibt FÖN e.V. jungen Leuten die Möglichkeit, sich in schulischen wie außerschulischen Veranstaltungen und Workshops über das Medium Film mit sozialen und ökologischen Zukunftsfragen auseinander zu setzen.
Hoffen auf weitere Festivals
17 Jahre lang, bis 2022, leitete Ernst Alfred Müller die Ökofilmtour. Seitdem versucht Katrin Springer, Filmproduzentin, das Festival mit vielen Fördermittelanträgen und gleichem Enthusiasmus in sein 20. Jahr zu führen – unterstützt von Sabine Abraham, der Geschäftsstellenleiterin von FÖN e.V. und dem Umweltpädagogen Thomas Oberländer. Außerdem bietet die Ökofilmtour jedes Jahr ein Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) an. Getragen vom FÖN-Vorstand, dem unter Vorsitz von Iduna Wünschmann noch immer wichtige Menschen der ersten Stunde angehören wie Uta Greschner, Heiderose Häsler, Jutta Schölzel und Werner Peter.
Über den Autor: Der Umweltjournalist, Autor und Regisseur Hartmut Sommerschuh ist Mitbegründer des Fördervereins für Öffentlichkeitsarbeit im Natur- und Umweltschutz FÖN e.V.
Vorbemerkung
Die friedlich auf der Straße errungene Umbrüche der Wendezeit 1989 waren auch von Umweltthemen getragen. Zu den kostbarsten Früchten, die alle „Abwicklungen“ und „vereinigungsbedingten“ Schicksale überstanden, gehören das ostdeutsche Nationalprogramm, die GRÜNE LIGA und der Verein FÖN e.V. Seine Geschichte und sein Festival ÖKOFILMTOUR sind einmalig. Und undenkbar ohne den jahrzehntelangen Enthusiasmus der Mitglieder und die Solidarität vieler Unterstützer.
Die im DDR-Fernsehen erstrittene Sendereihe OZON
Es war ein Zufall mit Doppelwirkung. Ausgerechnet am 9. November 1989, an dem abends die Mauer aufging, erschien morgens in der DDR-Tageszeitung BAUERNECHO unser Artikel gegen den eigenen „Arbeitgeber“, das DDR-Fernsehen. Berliner Agrarwissenschaftler hatten geholfen, ihn zu lancieren.
Darin wurde die Fernsehleitung aufgefordert, die Sendung „Kreisläufe“ sofort wieder ins Programm aufzunehmen und zu einem Umweltmagazin zu entwickeln. Wegen ihrer kritischen Ökologie-Beiträge, zuletzt über Rauchgasschäden im Erzgebirge, war die seit 1983 existierende Landwirtschaftsreihe zwei Monate zuvor noch verboten worden. Unser Protest und der Mauerfall zwangen die Verantwortlichen murrend zum Einschwenken. Schon drei Wochen später konnten wir unter dem doppelsinnigen Motto „Luft zum Atmen“ die erste Sendung ausstrahlen. Es ging um Smog in den Städten und um das erste DDR-weite Treffen von Umweltgruppen im Babelsberger Fußballstadion.
Kameramann Werner Peter, später langjähriger Vorsitzender von FÖN e.V., machte den Vorschlag, die Reihe „OZON“ zu nennen. Das „Ozonloch“ in der Atmosphäre beschäftigte gerade die Wissenschaftler.
In einer zwischen Filmbeiträgen eingebauten Studiorunde saßen Matthias Platzeck von der Potsdamer Umweltgruppe ARGUS, der Brodowiner Schriftsteller Reimar Gilsenbach, Dr. Rolf Caspar von der Gesellschaft für Natur und Umwelt im Kulturbund der DDR, ein Arzt aus Dresden und eine Vertreterin der evangelischen Kirche in Erfurt. Nach der Ausstrahlung verlangten Zuschauer in vielen Briefen weitere Sendungen. OZON erschien nun alle 14 Tage um 21 Uhr mit großem Erfolg. Naturschützer, Schriftsteller, Wissenschaftler wie Michael Succow, die bis heute der ÖKOFILMTOUR treu sind, unterstützten uns schon damals.
Vom Mauerfall 1989 über die Volkskammerwahlen am 18. März 1990, die Währungsreform am 1. Juli 1990 bis zur deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 wandelten sich Rundfunk und Fernsehen der DDR gewaltig. Für einen kleinen Moment gab es staatsfernen, faktenorientierten, kritischen Journalismus. Einen, der die Wendebrüche offen und ehrlich begleitete.
Das enorme Echo auch auf OZON ermutigte uns, weiterzumachen. Wir konnten schließlich Hellmuth Henneberg als Moderator gewinnen. Er löste nach fünf Sendungen den Rundfunkjournalisten Dr. Harro Hess ab, der bei Radio DDR neue Aufgaben in Frankfurt übernahm.
Das Freiburger Festival ÖKOMEDIA
Als frischgebackener Redaktionsleiter beantragte ich kühn erste „Dienstreisen“. Ernst-Alfred Müller, später Gründer der Ökofilmtour, erhielt bei Dreharbeiten für OZON auf dem tschechischen EKO-Film-Festival in Ostrava eine Einladung nach Freiburg im Breisgau. Zum großen internationalen Umweltfilmfestival „ÖKOMEDIA – Tage des ökologischen Films“. Die schöne Stadt am Schwarzwald, im Dreiländereck Schweiz, Frankreich, Deutschland, war seit Jahren Hochburg ökologischer Projekte und mutiger Proteste. Gegen Hausräumungen, Militärübungen, Bleiverseuchung, bald auch gegen den Golfkrieg. Das ÖKOMEDIA-Festival und gleichnamige Institut für Medienarbeit e.V. waren aus der Anti-Atombewegung hervor gegangen. Gegen das geplante Kernkraftwerk Whyl dreißig Minuten entfernt am Kaiserstuhl.
Schließlich fuhren wir, die gesamte OZON-Mannschaft, im November 1990 mit dem Zug nach Freiburg. Darunter waren Uta Greschner, Heiderose Häsler und unser Kameramann Werner Peter. Alle sind noch heute unter dem Vorsitz von Iduna Wünschmann im Vorstand von FÖN e.V. Aus 23 Ländern waren über 60 Filme im Programm. Sie und die vielen Begegnungen wurden für uns entscheidende Erlebnisse.
Heidi Knott und Horst Hamm, die Verantwortlichen des Festivals, empfingen uns Ostdeutsche überraschend herzlich und neugierig. Ohne die übliche westdeutsche Besserwisserei. Was wir aus ihrem Leben erfuhren, war überaus ermutigend für unsere journalistische Arbeit so kurz nach der Wende.
Mut und Haltung
Heidi war in Los Angeles geboren, wegen der Arbeitsstelle des Vaters bei einer Ölbohrfirma in Saudi-Arabien aufgewachsen, bei den Großeltern in London zur Schule gegangen, dann in die USA zurückgekehrt. Zum Studium in North Carolina. So prägten sie 1969 in Washington die großen Proteste gegen den Vietnamkrieg. Dann verliebte sie sich in den deutschen Filmemacher Willi Gladitz, der unter dem Namen Peter Krieg in West-Berlin lebte.
Er und seine Schwester Nina Gladitz hatten von Kirchzarten im Schwarzwald aus die Gründung des internationalen ÖKOMEDIA-Festivals entscheidend unterstützt. Schon 1976 hatte Nina mit „Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv“ einen Film über den Kampf gegen das Kernkraftwerk Whyl gemacht. 1982 gelang ihr mit Zeit des Schweigens und der Dunkelheit ein erschütterndes Dokument, in dem sie nachwies, dass Hitlers Lieblingsfilmerin Leni Riefenstahl Sinti und Roma aus den Lagern Maxglan und Berlin-Marzahn als Statisten für ihren Film Tiefland geholt hatte, die anschließend gegen ihr Versprechen in Auschwitz ermordet wurden. Der Film verschwand 40 Jahre im Giftschrank des WDR. Sie kämpfte in Prozessen, verlor ihr Vermögen, drehte weitere Filme über die ungerechte Behandlung von Menschen, starb 2022 in völliger Armut.
Heidi Knott war zu Peter Krieg nach Berlin gezogen, studierte an der Film- und Fernsehakademie und drehte ab 1980 mit ihm preisgekrönte, entlarvende Dokumentationen wie „Septemberweizen“. Ein anderer ihrer Filme führte zu einem berühmten Boykott von Produkten bei „Nestlé“. Denn sie hatten Bemühungen des weltgrößten Lebensmittelkonzerns aufgedeckt, arme Frauen aus der Dritten Welt zu überreden, das Stillen aufzugeben. Zugunsten seines oft mit schmutzigem Wasser angerührten Milchpulvers.
Der Mut, der aus diesen Biografien sprach, die politische Wirkung, die Filme haben können, die menschliche Wärme von Heidi, alles beflügelte uns. Heidi Knott und Horst Hamm wiederum waren als Festivalchefs beeindruckt von unserer aus dem DDR-Fernsehen gewachsenen kritischen Redaktion OZON. Später überreichte uns auf dem ÖKOMEDDIA-Festival 1992 der damalige Vorsitzende Hubert Weinzierl für unser Engagement den Journalistenpreis des BUND.
Nachdem Heidi Knott und Horst Hamm neben ihrer Festivalarbeit selbst einen Film gedreht hatten über Proteste gegen die B 31, eine Fernverkehrsstraße, die mitten durch Freiburg geplant war, boten wir ihnen dafür einen Sendeplatz in OZON an. Und luden sie im Februar 1991 in unsere Redaktion nach Berlin-Adlershof ein.
Abwicklung statt Aufbruch
Da hatte unsere Stimmung schon jähe Wendungen hinter sich. Die anfängliche Euphorie tausender Zuschauer über unsere kritische aber auch mit Ratschlägen helfende Umwelt-Sendreihe war in Zukunftsangst umgeschlagen. Hunderten Industriebetrieben drohte die Abwicklung durch die Treuhand. Zehntausend Waldarbeiter waren allein in Brandenburg entlassen. Viele Menschen bangten um Arbeit und Existenz. Nach einer OZON- Sondersendung über „Berufe im Umweltschutz“ mit Anrufmöglichkeit klingelten unsere Telefone bis zum nächsten Morgen, kamen hunderte verzweifelter Briefe.
Dabei ging es uns Journalisten nicht besser. War doch im Artikel 36 des Einigungsvertrages festgelegt worden, dass Rundfunk und Fernsehen der DDR, die sogenannte „Einrichtung“, zum 31.12.1991 aufgelöst und in einzelne kleine Länderanstalten überführt wird. Hoffnungen der „Runden Tische“ auf einen neuen gemeinsamen Sender aller ostdeutschen Länder waren politisch gescheitert.
Helmut Kohls Abwickler vom Bayrischen Rundfunk, Rudolf Mühlfenzl (1919–2000), „Rundfunkbeauftragter für die neuen Bundesländer“, kehrte im Laufe des Jahres 1991 die Redaktionsstuben in mehreren Entlassungswellen mit eisernem Besen. Betroffen waren über 8.000 Journalisten, Kameraleute, Techniker, Bühnenarbeiter und Kraftfahrer aus den beiden Vollprogrammen des DDR-Fernsehens und 5.000 Kollegen vom Rundfunk. Viele der Beschäftigten verloren ihren Beruf, ihr Einkommen und häufig den Sinn ihres Lebens, sahen sich ungerecht behandelt, klagten gegen die Kündigung, für mehr Abfindung. Künstlerinnen und Künstler kämpften um ihre Urheberrechte. Aber auch Themen und Inhalte erloschen.
Wo sollten in Zukunft die Helden unserer Sendereihe OZON noch eine regelmäßige Tribüne haben? Die Umweltschützer der DDR, die neu gegründeten Organisationen Naturschutzbund (NABU), die Grüne Liga, die sechzigtausend Spezialisten in der Gesellschaft für Natur und Umwelt des Kulturbundes? Vor der Wiedervereinigung hatten die engagiertesten Naturschützer um Michael Succow noch ein in Europa einmaliges Nationalparkprogramm für die schönsten Landschaften entworfen. Auch den kirchliche Umweltgruppen, kritischen Bürgerrechtlern und Künstlern, die in der DDR verfolgt wurden, war unsere Sendung wichtig geworden. Konnten sie doch endlich frei reden. Wie der Schriftsteller Reimar Gilsenbach, der seit 1982 in seinem Garten am Rand der Schorfheide, belauscht von der Stasi, die „Brodowiner Gespräche“ organisierte. Und nun?
Wir konnten nicht ahnen, dass es Michael Albrecht, DEFA-Kameramann und über die Runden Tische zum ersten Fernsehdirektor des ORB berufen, bei Verhandlungen mit Mühlfenzl später gelingt, das SANDMÄNNCHEN und OZON zu retten.
FÖN e.V. als rettender Strohhalm
Als Heidi Knott und Host Hamm mit ihrem B31-Film nach Berlin kamen, ließen wir uns zunächst nichts anmerken, erwiderten ihre Herzlichkeit, organisierten einen Schnittplatz. Denn sie hatten bis zur Ausstrahlung in OZON noch einige Änderungen zu machen. Natürlich blieb ihnen unsere Stimmung nicht verborgen. In einer Kaffeepause vom Filmschnitt erzählte ich Heidi von unseren Sorgen. Sie fragte, überlegte, erinnerte sich an ähnlich verzweifelte Situationen bei ihrer Filmarbeit mit Peter Krieg Anfang der 80er Jahre.
Dann fragte sie plötzlich: „Warum gründet Ihr nicht miteinander einen Verein? Einen gemeinnützigen? Davon haben wir in Freiburg reichlich.“ Ich stutzte, das Wort „Verein“ war uns in der DDR fremd geworden. Gab es doch seit der Ablösung des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) durch das Zivilgesetzbuch der DDR 1976 außer im Sport offiziell keine Vereine mehr. Nur „Arbeitsgemeinschaften“ im Kulturbund und in den Großbetrieben.
Heidis Vorschlag war Gold wert. Im Mai 1991 gründeten wir den „Förderverein für Öffentlichkeitsarbeit im Natur- und Umweltschutz (FÖN e.V.)“ und ließen ihn ins Vereinsregister eintragen. Unter den ersten Mitgliedern waren Uta Greschner, Heiderose Häsler, Elke Weinert, Werner Peter, Ernst-Alfred Müller, Hellmuth Henneberg, Hartmut Sommerschuh.
Literatur, Bildende Kunst, Filme
Dank großzügiger Förderung durch den WWF, die Heinrich Böll Stiftung vor allem durch das Brandenburger Umweltministerium unter Matthias Platzeck entstanden schon bald eine Medienwerkstatt für eigene Filme und der Arbeitskreis LITERATUR UM WELT für Schriftsteller aus Ost und West. Bis heute setzt er in jährlichen Treffen die Tradition der „Brodowiner Gespräche“ von Reimar Gilsenbach fort. Aus seinem Kreis wurde Jutta Schölzel die langjährige Leiterin der Potsdamer Geschäftsstelle von FÖN e.V.
Filme aus der FÖN Medienwerkstatt von Uta Greschner
Auch ein Jugendkunstzirkel „Grafik, Malerei, Umweltpflege“ des Berliner Kunstpädagogen Gilbert Waligora war in den ersten Jahren Mitglied, konnte in Ferienlagern Landschaften erforschen und große Grafik- und Aquarellausstellungen machen. Dann aber entstand aus unserer innigen Verbindung zur ÖKOMEDIA die wohl nachhaltigste Idee: Seit 1990 hatten die Freiburger eine Auswahl ihrer Filme in Erfurt, Rostock und im Potsdamer Filmmuseum zeigen lassen. Ab 1994 organisierte FÖN e.V. auch in Cottbus, Lenzen an der Elbe, Eberswalde, Buckow/Märkische Schweiz, Angermünde und Templin zusammen mit dem NABU und dem Umweltverein ARGUS Potsdam eine jährliche Nachspieltournee. Unterstützung kam u.a. vom WWF und der Heinrich Böll Stiftung. In neun Jahren erreichte sie tausende Erwachsene und Schüler.
Die Geburt der Ökofilmtour
Durch die unbedachte Fördermittelstreichung der Stadt Freiburg, die eine Kette bis zum Bundesumweltministerium zum Einsturz brachte, musste das Freiburger ÖKOMEDIA-Festival Anfang 2005 in Insolvenz gehen. Ein Unglück, das auch die internationale Medienarbeit des Instituts traf. Wir suchten mit nach Lösungen. Ließe sich aus der Nachspieltournee ein neues Festival entwickeln?
Auf Initiative von Ernst-Alfred Müller begründete FÖN e.V. 2006 nach Rücksprache mit dem damaligen Brandenburger Umweltminister Dietmar Woidke die Ökofilmtour. Für die Geschäftsstelle unter Leitung von Jutta Schölzel war das organisatorisch eine völlig neue Herausforderung. Stieg doch die Zahl der Spielorte sofort sprunghaft.
Sehr schnell dabei waren die Fachhochschule Eberswalde – heute Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde –, Viadrina Frankfurt/Oder, Multikulturelles Zentrum Templin, Kulturhaus Kino Brüssow, Kulturbahnhof Biesenthal, Regionalwerkstatt Stechlin, NaturParkHaus Stechlin in Menz, Umweltbahnhof Dannenwalde, Ökospeicher Wulkow/Lebus, Wettermuseum Lindenberg, Theater am Rand/Oderaue, Kulturgießerei Schöneiche, Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF, Angerscheune Petershagen, Obenkino Cottbus, Burg Beeskow, Filmmuseum und Hans Otto Theater Potsdam.
Heute ist die Ökofilmtour mit über 70 Orten und einer Laufzeit über vier Monate das „längste Umweltfilm-Festival Deutschlands“. Alljährlich startet es im Potsdamer Filmmuseum und endet mit einer festlichen Preisverleihung im Potsdamer Hans Otto Theater, vergibt hochdotierte Preise und ist ein Magnet für engagierte Filmemacher nicht nur aus Deutschland geworden.
Filme mit Lösungen und für Jugendliche
Als einziges Festival orientierte sich die Ökofilmtour früh an den Zielen der 2002 gestarteten UN-Weltdekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“. Bis heute steht ganz oben in der Philosophie der Ökofilmtour die Bildungsarbeit. Mit seinem Jugendprojekt „JugendVision“ gibt FÖN e.V. jungen Leuten die Möglichkeit, sich in schulischen wie außerschulischen Veranstaltungen und Workshops über das Medium Film mit sozialen und ökologischen Zukunftsfragen auseinander zu setzen.
Hoffen auf weitere Festivals
17 Jahre lang, bis 2022, leitete Ernst Alfred Müller die Ökofilmtour. Seitdem versucht Katrin Springer, Filmproduzentin, das Festival mit vielen Fördermittelanträgen und gleichem Enthusiasmus in sein 20. Jahr zu führen – unterstützt von Sabine Abraham, der Geschäftsstellenleiterin von FÖN e.V. und dem Umweltpädagogen Thomas Oberländer. Außerdem bietet die Ökofilmtour jedes Jahr ein Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) an. Getragen vom FÖN-Vorstand, dem unter Vorsitz von Iduna Wünschmann noch immer wichtige Menschen der ersten Stunde angehören wie Uta Greschner, Heiderose Häsler, Jutta Schölzel und Werner Peter.
Über den Autor: Der Umweltjournalist, Autor und Regisseur Hartmut Sommerschuh ist Mitbegründer des Fördervereins für Öffentlichkeitsarbeit im Natur- und Umweltschutz FÖN e.V.